Dr. Michael Fraas, Vorsitzender des DWSV, begrüßte die rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Binnen- und Personenschifffahrt, Logistik- und Industrieunternehmen, Flusskreuzfahrten, Häfen, Infrastrukturbetreibern, Politik, Verwaltung und Verbänden und betonte die Bedeutung der Wasserstraße: „Die Verkehrswende geht nicht ohne die Wasserstraße. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern hat die Wasserstraße einen Vorteil: Sie existiert bereits. Sie muss aber besser genutzt werden!“
DWSV fordert leistungsfähigen Ausbau und Investitionen in die Infrastruktur
Dr. Fraas stellte fest: „Die Wasserstraße ist systemrelevant. Die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu massiven Störungen der globalen Lieferketten geführt und damit auch die Systemrelevanz der Wasserstraßen deutlich vor Augen geführt. Ausbau und Erhalt der Wasserstraßen-Infrastruktur sind deshalb unabdingbar, besonders der Ausbau von Donau, Mittelrhein und Main als wichtige Verbindung von den Seehäfen zum Schwarzen Meer. Die Wasserstraßen brauchen dringend eine Erhöhung der finanziellen und personellen Ressourcen und dürfen bei der Beschleunigung der Planungsverfahren bei Infrastrukturprojekten nicht vergessen werden. Die Kürzung des Wasserstraßenetats durch den Bund um rund 360 Mio. Euro Anfang 2023 war absolut kontraproduktiv. So wird der Flussausbau verlangsamt, weil Ausschreibungen für mehrjährige Projekte nicht mehr erfolgen können. In Zukunft ist ein Ausbau der bestehenden Infrastruktur auf hohem Niveau nötig, um die bis 2050 prognostizierte Verdopplung des Güterverkehrs zu bewältigen und eine Gleichbehandlung der Wasserstraße mit anderen Verkehrsträgern zu erreichen.“ Auch betonte er: „Die Wasserstraße ist der ökologischste Verkehrsträger – ein Binnenschiff ersetzt über 150 LKW-Ladungen!“.
Marcus König, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, betonte, welchen Schub der Main-Donau-Kanal und der Hafen Nürnberg gesamten Wirtschaftsstandort Metropolregion Nürnberg gegeben haben:
„Die Wasserstraßen brauchen wir! Sie sind wichtig – sowohl für den Tourismus als auch für die Wirtschaft. Deshalb passt der Bayerische Wasserstraßen- und Schifffahrtstag des DWSV e.V. sehr gut nach Nürnberg. Unser Hafen, aber ebenso die Häfen der anderen Städte und Gemeinden entlang der Wasserstraße, ist nicht nur eine Einnahmequelle, sondern auch ein wichtiger Standortfaktor!“
In seiner Keynote unterstrich Karl Freller, I. Vizepräsident des Bayerischen Landtags, die Bedeutung der Wasserstraßeninfrastruktur inkl. Häfen für Bayern. Für Güter- und Personenschifffahrt ist eine leistungsfähige Wasserstraßeninfrastruktur von größter Bedeutung. Der Main-Donau-Kanal hat ganz Bayern als Industrie‑, Logistik- und Exportstandort einen enormen wirtschaftlichen Schub verliehen. Die Lage an der Donau und am Main-Donau-Kanal ist ein wichtiger Standortfaktor für die Industrie, speziell bei Schwergut- und Großraum-Transporten. Bayern verfügt über eine Vielzahl an Häfen entlang des Mains, dem Main-Donau-Kanal und der Donau. Allein von den sechs bayernhafen-Standorten hängen direkt und indirekt über 40.000 Arbeitsplätze ab. Binnenhäfen dienen nicht nur dem Gütertransport und –umschlag: Als trimodale Güterverkehrszentren (GVZ), verknüpfen sie die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser und ermöglichen so multimodale Transportketten. Die Lage an wirtschaftsgeografisch bedeutenden Knotenpunkten kombiniert mit der effizienten Verknüpfung der Verkehrsträger Wasser, Schiene und Straße zeichnet die Standorte aus. Jährlich werden in Bayern rund 29 Millionen Tonnen Güter per Schiff, Bahn und LKW umgeschlagen. Die bayerischen Häfen sind durch gute Erreichbarkeit und Umschlagmöglichkeiten ein wichtiger Standortfaktor für viele Branchen, wie den bayerischen Maschinen- und Anlagenbau. Dort werden überbreite und hohe Anlagenteile (z.B. Transformatoren, Filteranlagen oder Flügel für Windkraftanlagen) aufs Binnenschiff verladen und zu Zielen weltweit transportiert.
Wünsche an die Bundesregierung:
Ohne vermehrte Verlagerung von Güterverkehren auf das umweltfreundliche Binnenschiff sind die ambitionierten nationalen und europäischen Klimaziele (Green Deal) nicht zu erreichen. Besonders rohstoffintensive Unternehmen (z.B. Chemie‑, Stahl‑, Kraftwerks- und Mineralölindustrie) sind auch in Zukunft auf eine funktionierende und verlässliche Wasserstraßeninfrastruktur angewiesen. Um diese Entwicklung aufzuhalten und einen Verkehrskollaps zu vermeiden sind vor allem höhere finanzielle Mittel im Bundesetat für den Verkehr nötig. Mehreinnahmen aus der Erhöhung der LKW-Maut dürfen nicht allein auf die Bahn umverteilt werden. Die systemrelevanten Wasserstraßen benötigen dringend eine politische Gleichbehandlung mit Straße und Schiene. Die Kürzungen des Wasserstraßenetats Anfang 2023 waren absolut kontraproduktiv, wenn es um den Erhalt und Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur geht.
Zur Planungsbeschleunigung bei Wasserstraßenprojekten muss bei der Vordringlichen Bedarfs-Engpassbeseitigung (VB‑E) per Gesetz festgestellt werden, dass diese „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegen und „der öffentlichen Sicherheit dienen“ – ebenso wie bei Schienen- und Straßenbauprojekten. Nur bei zeitnaher Realisierung dieser Projekte können die Wasserstraßen auch künftig einen wertvollen Beitrag leisten, um die Verkehrswende zu meistern und die Klimaziele zu erreichen.
Neues Marktpotenzial für die Wasserstraßen: Wasserstofftransport
Der Erlanger Altoberbürgermeister Prof. Dr. Siegfried Balleis gab Einblick in die neuen Marktpotenziale der Wasserstraßen durch Wasserstofftransporte: „Eine nachhaltige Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaft wird definitiv nur über den massenhaften Einsatz von Wasserstoff funktionieren. Da wir nur in begrenztem Umfang Wasserstoff im eigenen Land erzeugen können, bedeutet dies eine enorme logistische Anstrengung, diesen Wasserstoff auf den unterschiedlichsten Wegen zu den Nachfragern aus Privathaushalten und Industrie zu transportieren. Eine zentrale Rolle bei diesem Wasserstoff-Transport werden dabei unsere nationalen Wasserstraßen spielen.“
SYMPOSIUM
In einem Symposium wurden verschiedene Funktionen der Wasserstraße beleuchtet.
Thomas Keller (Behördenleiter Wasserwirtschaftsamt Ansbach) gab Einblicke in das Wasserüberleitungssystem Donau – Main „Wasser für Franken“ und die aktuellen Herausforderungen.
„Der Klimawandel stellt uns vor neue Herausforderungen. Die vermehrt auftretenden längeren und heißeren Trockenperioden belasten auch die Flüsse und deren Bewohner. Bereits im Jahr 1970 wurde mit unvorstellbarem Weitblick und Mut die politische Grundlage zum Bau des größten Wasserbauprojekts Bayern geschaffen – die Überleitung Donau-Main. Eine ganze Landschaft wurde neu gestaltet, das Fränkische Seenland mit seinen sechs Talsperren entstand. Wasser – die Grundlage für menschliches Handeln stand nun im Raum Nürnberg ausreichend zur Verfügung. Ein System zum Wasserausgleich wurde zu einem Zeitpunkt geschaffen, an dem das Wort „Klimawandel“ noch nicht in aller Munde war.
Altmühl- und Donauwasser werden auf zwei getrennten Wegen in das Regnitz-Main-Gebiet übergeleitet. Über das Teilsystem Kanalüberleitung, mit dem Main-Donau-Kanal als Wasserleitung und dem Rothsee als Zwischenspeicher, werden aus der Altmühl bzw. Donau mit Hilfe von Pumpwerken an den Schleusen der Südrampe des Kanals im Mittel 125 Mio. m³ pro Jahr in den Rothsee gefördert. Über das Teilsystem Brombachüberleitung wird Hochwasser aus der Altmühl in den Altmühlsee abgezweigt und fließt dann in freiem Gefälle in den Kleinen und von dort in den Großen Brombachsee, im Mittel pro Jahr 25 Mio. m³.
Das im Rothsee bzw. Großen Brombachsee gespeicherte Wasser wird in Trockenzeiten in die unterhalb liegenden Flüsse des Regnitz-Main Gebiets abgegeben. Bis zu 80 % kann der Anteil des Zusatzwassers in der Rednitz im Raum Nürnberg betragen. Ökologische Probleme in den Gewässern, wie zum Beispiel Fischsterben durch Sauerstoff- oder Wassermangel, können so vermieden werden.
Beide Systeme funktionieren technisch unabhängig voneinander und ergänzen sich. Im Mittel werden etwa 150 Mio. m³/Jahr Zusatzwasser nach Nordbayern geleitet und das mittlere Altmühltal bei Hochwasser entlastet. Seit Beginn der Überleitung im Jahr 1993 wurden fast vier Milliarden Kubikmeter Wasser in den Norden Bayerns übergeleitet, dies entspricht ungefähr dem Volumen des Chiemsees.“
Wasserkraft und Energiewende standen im Mittelpinkt des Vortrags von Dr. Christian Buchbauer (Stakeholder Manager Hydro, Uniper Kraftwerke GmbH, Sparte Wasserkraft).
„Zusammenfassend ist die Wasserkraft ein wichtiger Bestandteil der Lösung im Umgang mit der Energiekrise und dem Klimawandel. Sie bietet auch in Zukunft eine nachhaltige und zuverlässige Energiequelle, die zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beiträgt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert. Durch die Verbindung mit Wasserstraßen kann Wasserkraft auch die Schifffahrt und den Transportsektor unterstützen und zu einer ganzheitlichen und umweltfreundlichen Infrastruktur beitragen. Die Wasserkraft kann stabil und kontinuierlich CO2-freien Strom liefern und ist nicht abhängig von Wetter, so wie Wind- oder Solarenergie. Darüber hinaus ist der gesellschaftliche Mehrwert weitaus größer, weil sie einen wertvollen Beitrag zum Hochwasserschutz, der Gewässerreinigung und zur Steuerung der Wasserpegel (zugunsten der Schifffahrt), leistet“, so das Fazit von Dr. Buchbauer.
Wirtschaftliche Aspekte der Wasserstraße und des Main-Donau-Kanals standen im Fokus des Beitrags von Harald Ackerlauer / Kaufm. Werksleiter Großtransformatorenwerk Nürnberg, Siemens Energy
Eine leistungsfähige Wasserstraßeninfrastruktur und die Lage in kurzer Entfernung zum Güterverkehrszentrum Hafen Nürnberg und dem Main-Donau-Kanal ist von größter Bedeutung für Industrieunternehmen wie Siemens Energy. Gerade bei Groß- und Schwerraumtransporten ist Lage an der Wasserstraße für industrielle Verlader wie Siemens Energy ein wichtiger Standortfaktor.
„Für Transport und Verladung von Großtransformatoren mit 200 – 500 Tonnen über die ARA-Häfen z.B. nach Großbritannien und China, ist eine gute logistische Anbindung sehr wichtig für unser Unternehmen. Die Energiewende ist ohne die Wasserstraßen nicht möglich – besonders bei der wachsenden Anzahl an Transporten von z.B. Großtransformatoren und Komponenten für Windkraftanlagen. Allein im Siemens Energy „Trafowerk“ hängen mehr als 800 Arbeitsplätze von diesen wichtigen Standortfaktoren ab“, resümiert Harald Ackerlauer (Kaufmännischer Werksleiter Siemens Energy / Großtransformatorenwerk Nürnberg).
In seinem Vortrag „Wasserstoff und Nachhaltigkeit“ bot Martin Staats (Vorstand MSG eG und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt e.V.) einen Überblick zur Leistungsfähigkeit, Umweltfreundlichkeit und den Herausforderungen, denen die Binnenschifffahrt im Wettbewerbsumfeld ausgesetzt ist. Ein Binnenschiff ersetzt bei normaler Ladekapazität 150 LKW und trägt so erheblich zur Entlastung des Verkehrsträgers Straße bei. Weitere Vorteile der Binnenschifffahrt sind geringer Flächenverbrauch und geringe Lärmemissionen. Daher ist die Binnenschifffahrt unverzichtbar, um die Klimaschutzziele von Bund und EU einzuhalten. Laut Umweltbundesamt emittieren Binnenschiffe emittieren rund 72 % weniger Treibhausgasemissionen als der Lkw. Auch die EU erkennt in Nachhaltigkeitsstrategie für den Verkehr, dass die Binnenschifffahrt unverzichtbar ist, um die Emissionsreduktionsziele im Verkehrssektor (- 90 % bis 2050) zu erreichen. Dafür ist eine deutliche Zunahme des Güterverkehrs auf dem Wasser (+ 50 % bis 2050) nötig.
„Deutschland ist seine Infrastruktur schon lange nichts mehr Wert, der Instandhaltungsrückstau frisst sich mittlerweile durch das gesamte Land. Leidtragende sind die Bürger, die Wirtschaft und der Standort selber, dessen Wachstumschancen ausgebremst werden. Der derzeitige ordnungspolitische Rahmen beschleunigt zudem Deindustrialisierungstendenzen. Schiene und Straße sind heute schon so überlastet, dass die Binnenschifffahrt ein unverzichtbarer Bestandteil ist und bleiben wird. Die Wasserstraße ist dabei die umweltfreundlichere Alternative, die Ressourcenverbrauch und Flächenfraß vorbeugt. Wie andere Bereiche der Verkehrswirtschaft, so steht auch die Binnenschifffahrt angesichts der Mobilitätswende vor gigantischen technischen Herausforderungen“, stellte Martin Staats fest.
DWSV-MITGLIEDERVERSAMMLUNG
Im Anschluss an den Bayerischen Wasserstraßen- und Schifffahrtstag fand die Mitgliederversammlung des DWSV statt. Als Nachfolgerin von Dr. Michael Fraas, der nach 12 Jahren sein Amt als DWSV-Vorsitzender abgab, wurde Frau Dr. Andrea Heilmaier, Wirtschafts- und Wissenschaftsreferentin der Stadt Nürnberg, zur neuen DWSV-Vorsitzenden ab 26.09.2023 gewählt.
DWSV Deutscher Wasserstraßen- und Schifffahrtsverein e.V. –
Seit 130 Jahren Partner für leistungsfähige Wasserstraßen und nachhaltiges Wirtschaften
Der Deutsche Wasserstraßen und Schifffahrtsverein ist zentrale Netzwerkplattform und Stimme für leistungsfähige Wasserstraßen. Ziel des DWSV ist der Ausbau und Erhalt der Wasserstraßeninfrastruktur mit regionalem Fokus auf der Main-Donau-Wasserstraße als einer der wichtigsten Binnenwasserstraßen Europas. Hierbei werden wirtschaftliche Aspekte ebenso wie der Faktor Nachhaltigkeit berücksichtigt. Denn die Wasserstraße ist der nachhaltigste Verkehrsträger.
DWSV-Vorstände: Prof. Gerhard Skoff (dtc danube Tourist consulting, Ingrid Rossmeier (Port of Rotterdam Authority / Repräsentantin für Süddeutschland), Dr. Andrea Heilmaier (DWSV-Vorsitzende ab 26.09.2023 / Wirtschafts- und Wissenschaftsreferentin der Stadt Nürnberg), Dr. Michael Fraas (DWSV-Vorsitzender seit 2011), Guido Zander (Amtsleiter Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Donau MDK), Martin Staats (Präsident BDB e.V. UND Vorstand MSG eG), Hans-Peter Trinkl (Vorstand LGA Landesgewerbeanstalt Bayern KdöR)
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