Über 85 Prozent des Ladungsaufkommens auf den deutschen Binnenwasserstraßen sind trockene oder flüssige Massengüter. Die Energiewende führt zu Veränderungen und stellt eine große Herausforderung für die Binnenschifffahrt und Häfen dar. Klassische Ladungsgüter werden an Bedeutung verlieren, neue werden hinzukommen. Ziel des Forums war es hervorzuheben, wie wichtig leistungsfähige Wasserstraßen und Häfen, gerade wegen dieser Veränderungen, für den Industriestandort Deutschland heute und in Zukunft sind, zum Beispiel für die Industriezweige Chemie, Stahl oder Bergbau.
„Es geht um weit mehr als nur um neue Ladungsmengen für die Binnenschifffahrt“, so spc Geschäftsführer Markus Nölke bei seinem Eingangsstatement zum Forum Massengut. „Es geht um nicht viel weniger als die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Wir haben in Deutschland Schwerindustrie mit tausenden von Arbeitsplätzen, die eine zentrale Rolle für die Entwicklung ganzer Regionen spielen und die auf leistungsfähige und zuverlässige Wasserstraßen und die Binnenschifffahrt angewiesen sind. Für diese Unternehmen beispielhaft aus dem chemischen Sektor, dem Bergbau oder der Stahlindustrie ist der Lkw keine Alternative zur Binnenschifffahrt. Im Gegenteil, es gilt weiterhin, zu erreichen, Güter auf die Wasser- oder Schienenwege zu verlagern und nicht, diese zu verlieren“, so Nölke weiter.
Die Verladerschaft
Für Carsten Schmücker von der LANXESS Deutschland GmbH, einem Produzenten für Spezialchemie, ist der Transport über das Binnenschiff besonders interessant. Eine sichere und perspektivisch klimaneutrale Logistik haben für LANXESS oberste Priorität. Zum einen ist die Fracht seines Unternehmens häufig Gefahrgut und auf einem Schiff besonders sicher unterwegs. Zum anderen trägt der Verkehrsträger Binnenschiff schon heute zur Reduktion von Treibhausgasen bei und bietet mehrere Optionen für die technisch umsetzbare Klimaneutralität. „Die Binnenschifffahrt ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Deutschland“, sagte Schmücker im Rahmen seines Vortrags.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit stehen auch beim Bergbau im Fokus. Philipp Möller, Vice President Logistics K+S Gruppe, berichtete, dass aufgrund der Lage der Abbaugebiete in seinem Unternehmen die Bahn 49 % des anfallenden Massenguts abtransportiert. In der weiteren Logistikkette fallen gut 10 % auf das Binnenschiff. Die Herausforderungen bei der Bahn sind beispielsweise die langsame Umsetzung von Infrastrukturprojekten, die Streichung von Neubauprojekten und Streiks. In der Binnenschifffahrt gibt es z. B. zu wenig Frachtraum, zu wenig Neubauten, vor allem im Bereich kleinerer Binnenschiffe bzw. kanalgängiger Binnenschiffe und Infrastrukturprobleme. Diese Probleme gilt es zu lösen, denn „Binnenschiff und Bahn sind und bleiben ein elementarer Bestandteil unserer Logistikkette. Nicht nur um die Mengen zu bewegen, sondern auch um die CO2- Ziele nachhaltig zu erreichen “, erklärte Möller. Sein Fazit war: „Ziel für uns als Bergbauunternehmen wird es auch in Zukunft sein, die Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff optimal in unsere Supply Chain einzubinden. Hierfür bedarf es allerdings einer durchgängigen Verfügbarkeit aller Ressourcen, um weiterhin zusätzliche Mengen auf diese Verkehrsträger zu allokieren.“
Die Salzgitter Flachstahl GmbH hat das Ziel einer CO2-neutralen Stahlproduktion. Einen Beitrag dazu leistet die Logistik. Fabian Gerdes, Leiter Kundenlogistik Salzgitter Flachstahl GmbH, hält hierfür „das Binnenschiff unerlässlich für einen nachhaltige und resiliente Transportkette“. Die Herausforderung dabei ist, dass das Güterverkehrsaufkommen bei gleichzeitig sinkenden Kapazitäten drastisch steigt – nicht nur auf dem Wasser. Wasserseitiger Grund für die Verknappung des Laderaums ist der Rückgang kleiner deutscher Trockengüterschiffe mit einem Tonnagevermögen von < 1.500 t bzw. kanalgängigen Trockengüterschiffen, eine Überalterung der Binnenschiffe sowie zu wenig Investitionen in den Neubau der Flotte. „Die Lösung hier liegt in der Zusammenarbeit von Verladern und Schifffahrtsunternehmen, beispielsweise in Form von langfristigen Verträgen.“ so Gerdes weiter. Gleichwohl hält er eine gute Verbindung zwischen allen Verkehrsträgern, also Wasserstraße, Schiene und Straße für essenziell.
Aber ohne die Politik geht es nicht. Daher wünscht er sich von ihr ein klares Bekenntnis zur Wasserstraße und zur Binnenschifffahrt, Investition in die Infrastruktur und Verlässlichkeit, Förderungsprogramme für Schiffsneubau und private Infrastruktur und Digitalisierungsprojekte sowie eine Imageverbesserung der Binnenschifffahrt.
Die Transporteure
Die Bedeutung der Wasserstraße für Massenguttransporte aus Sicht der Binnenschifffahrt beleuchtete Dirk Gemmer, Geschäftsführer Rhenus Transport GmbH & Co. KG. „In Zukunft wird sich die Binnenschifffahrt noch stärker als umweltfreundlicher und leistungsstarker Verkehrsträger und als Partner der Kundschaft und der Politik einbringen“. Auch wenn ein Rückgang der klassischen Massengüter zu erwarten ist, so sieht er z. B. Hot Briquetted Iron (HBI) und Direct Reduced Iron (DRI) als Ersatz für herkömmliche Eisenerzprodukte, Biomasse und eine steigende Containertransporte als Wachstumspotenziale für die Binnenschifffahrt. Langfristig werde sich wieder das auf aktuellem Niveau einpendeln. Rhenus investiert daher in den Neubau von Schiffen genauso wie in die Modernisierung seiner bestehenden Flotte. Zudem fordert Gemmer: „Zur Stärkung der Binnenschifffahrt am Güterverkehrsmarkt brauchen wir eine hohe Verfügbarkeit leistungsfähiger Binnenwasserstraßen, eine moderne, klimaneutrale Binnenschifffahrtsflotte und eine starke Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) mit weiterhin motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – vor allem aber ein klares Bekenntnis der Politik zur Binnenschifffahrt!“
Der Hafen Kehl
Herausforderungen stehen aber auch bei den Häfen an. Einer der größten Kunden für Massengut im Hafen Kehl ist eine Papierfabrik, die u.a. Kohle zur Energiegewinnung umschlägt. Im Laufe des Jahres wird dieser Umschlag eingestellt. Um dies zu kompensieren muss eine neue Strategie entwickelt werden. „Der Hafen Kehl steht nicht zuletzt aufgrund seiner geografischen Situation beim Thema Massengut vor großen Herausforderungen und ist in einem Transformationsprozess. Diesem begegnen wir u.a. durch eine Kooperation mit dem nahegelegenen Hafen Straßburg.“, so Volker Molz (Foto rechts), Hafendirektor in Kehl.
Wasserstoff – das neue Massengut der Zukunft?
Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um die Frage, ob Wasserstoff als neues Massengut der Zukunft dienen kann. Ist er der Schlüssel zur Energiewende? Er bietet zahlreiche Vorteile wie eine hohe Energiedichte, ist leicht transportier- und speicherbar. Aber er ist auch Gefahrgut und kann somit nicht überall einfach produziert oder gelagert werden. Zudem wird er, sollte er der Energieträger der Zukunft sein, in sehr großen Mengen benötigt, und muss en gros über Pipelines transportiert werden.
Für die Binnenschifffahrt und die Häfen ist in diesem Fall der Transport und die Lagerung von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak interessant. Dies hat beispielsweise duisport erkannt und sich als Energie Hub positioniert. duisport hat schon mit Projekten wie den Auf- und Ausbau von Tanklagerkapazitäten (Methanol, Ammoniak und CO2), dem Aufbau einer Terminal-Infrastruktur für grüne Energieträger, der Errichtung eines Elektrolyseurs zur Versorgung u. a. des Straßengüter- und Personenindividualverkehrs sowie dem Aufbau einer Wasserstoff-Bunkerinfrastruktur zur Versorgung der Binnenschifffahrt begonnen. Für Markus Bangen, Vorstandsvorsitzender duisport – Duisburger Hafen AG, ist klar: „Wasserstoff und die grüne Transformation bieten enorme Chancen für die Binnenschifffahrt“. Das Fazit seines Vortrages war: Der prognostizierte Energiebedarf macht Wasserstoff und dessen Derivate zum neuen Massengut der Zukunft. Die Binnenschifffahrt hat dabei das Potential, mittelfristig zur tragenden Säule der Energieversorgung der Zukunft zu werden. Hierzu ist der konsequente und kurzfristige Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur, der Infrastruktur in den Häfen sowie der Aufbau von Flottenkapazitäten unmittelbar von entscheidender Bedeutung.
Gleichwohl ist für Bangen traditionelles Massengut, wie zum Beispiel Baustoffe, Recyclingmaterial, Biomasse, Treibstoffe und Stahl, weiter von großer Bedeutung.
Auch für Steffen Bauer, Vorsitzender der Geschäftsführung HGK Shipping GmbH thematisiert den Ladungsrückgang in der Binnenschifffahrt, auch ohne die Energiewende. Zum Vergleich: Wurden 2015 noch 221 Mio. t über die bundesdeutschen Wasserstraßen transportiert, waren es 2023 nur noch 180 Mio. t. Gleichzeitig werden viele Schiffe aus Altersgründen abgewrackt und rund 1/3 der Schiffsführer sind über 55 Jahres alt. Die Herausforderungen liegen also nicht nur in der Kompensation des Massengutverlustes und der Frage, ob Wasserstoff diesen ersetzen kann. Vielmehr muss sich die gesamte Branche neu und zukunftsfähig aufstellen, beispielsweise durch die Investitionen in moderne, CO2 reduzierte Schiffe, Niedrigwasser fähige Schiffe und die Digitalisierung. Und er sieht die Möglichkeiten in der Energiewende: „Die Energietransformation schafft neue Gütersegmente und stellt eine Chance für die Branche dar.“ Bauer sieht neue Güter wie Wasserstoff, H2 Derivate, Synthetische Kraftstoffe, Biomasse oder Windkraft als Kompensation für fossile Energieträger wie Kohle oder Mineralöl. Diese neuen Güter benötigen angepasste Supply Chains. Als Redundanz zur Pipeline und insbesondere im Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft entstehen Potenziale für die Binnenschifffahrt.
Nicht überall liegt jedoch eine Pipeline oder ein Hafen, an dem der Wasserstoff umgeschlagen werden kann. Eine sinnvolle und umweltschonende Ergänzung ist die Bahn. Sie kann in der Fläche sinnvoll ergänzen. „Die Rollende Pipeline für Wasserstofftransport auf der Schiene ist in Verbindung mit dem (Binnen-)Schifftransport eine strategisch notwendige Option zur Verteilung an die heterogenen Verbraucher. Pilottransporte heute stellen die Weiche, um das Potenzial dieser Verkehrsträger in Zukunft zu nutzen.“ so Daniel Sorger Manager SRP Consulting AG, und Matthias Fett Leiter Marktplanung und ‑entwicklung InfraGO AG.
Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Nowak äußerte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf des Forums: „Alle Referenten hoben eine positive und optimistische Grundstimmung hervor. Es gab vor allem seitens der Industrie ein klares Bekenntnis, den Schulterschluss mit der Binnenschifffahrt in Bezug auf Vertragslaufzeiten, Mengenzusagen und auch Kooperationen zu suchen.“ Für Nowak ist das der richtige Weg. Er wird auch die Binnenschifffahrt weiterbringen und es ermöglichen, den aktuellen Transformationsprozess mit den notwendigen Investitionen in die Flotte zu bewältigen. Nowak lädt die Politik und Verwaltung ein gemeinsam diesen Prozess zu begleiten und zu gestalten. Fest steht für ihn bereits jetzt, dass es ein zweites Forum Massengut (Bulk) geben wird.
v. l.: Wolfgang Nowak Vorstandsvorsitzender ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc), Daniel Sorger Manager SRP Consulting AG, Markus Bangen Vorstandsvorsitzender duisport – Duisburger Hafen AG, Matthias Fett Leiter Marktplanung und ‑entwicklung InfraGO AG, Dirk Gemmer Geschäftsführer Rhenus Logistics Transport GmbH & Co. KG, Steffen Bauer Vorsitzender der Geschäftsführung HGK Shipping GmbH, Volker Molz Hafendirektor Hafenverwaltung Kehl und Markus Nölke Geschäftsführer ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc)
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v. l.: Wolfgang Nowak Vorstandsvorsitzender ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc), Carsten Schmuecker Global Logistics Transport Procurement Overseas, LANXESS Deutschland GmbH, Philipp Möller Vice President Logistics K+S Gruppe, Fabian Gerdes Leiter Kundenlogistik Salzgitter Flachstahl GmbH, Markus Nölke Geschäftsführer ShortSeaShipping Inland Waterway Promotion Center (spc) (Moderator)
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